Rosch Haschana 5780 –
statt Weiter so – Tikkun Olam

von Hanna Rheinz

Hinterlasse keine Spuren, vor allem keinen CO2-Fußabdruck! Nichts könnte befremdlicher klingen angesichts der Hohen Feiertage. Doch genau besehen, liegen die Diskussionen um Klimawandel, Artensterben, Plastikmüll, die Forderung nach einer “Agrarwende”, die Drosselung der ausufernden “Fleischproduktion”, der Schutz der Tiere – genau auf der Linie der Tora.
Rosch Haschana jährt sich der Tag, an dem der Mensch nach jüdischer Lehre erschaffen wurde. Eine Zeit der Rückschau, der Umkehr. Wir stellen uns die Frage, ob wir anderen gegenüber gerecht waren, Schäden behoben, ob uns verziehen wurde. Dies erweitert den Blick: von den anderen Menschen hin zum Wohlergehen der Gemeinschaft, der Natur, der Tiere, ja sogar des Klimas.
In immer rascherem Tempo hat der Mensch die Grenzen, die ihm gesetzt worden sind mißachtet, die Erde verbraucht, Rohstoffe entnommen, verseuchte Böden zurückgelassen; Und damit die Lebenswelten von Mensch und Tier zerstört.
Das Rad der Massenproduktion hat eine toxische Welt aus Plastik und Müll entstehen lassen, die Leben zerstört. Waren, die nichts als Plastik-Kopien sind, auf vorzeitigen Verfall eingestellt. Eine Scheinwelt der Götzen und Illusionen, deren Folterkammern “soziale Medien” heißen. Neben der Umweltverschmutzung wird die Seele des Menschen zerstört. Der CO2-Fußabdruck wird zur Metapher einer in Destruktivität erstarrten Gesellschaft.
Wann, wenn nicht zu Rosch Haschana gilt es die Grenzen, die sich dem Menschen entgegenstellen, ins Auge zu fassen?
Im Gebet “Unetane Tokef”, das mit den mittelalterlichen Judenverfolgungen in Aschkenaz verbunden ist und von Rabbi Amnon von Mainz, den Tod vor Augen, gedichtet worden sein soll, ist es das Leben selbst, das an seine Grenzen stößt.

Der Mensch “ist wie ein Tongefäß, das leicht zerbricht. Er ist wie das Gras, das schnell verdorrt, wie eine Blume, die bald verwelkt”. So beschreibt das Gebet die Zerbrechlichkeit des Lebens, für dessen Erhalt auch der Mensch Sorge zu tragen hat.
Neben den Bedrohungen durch die neue Judenfeindlichkeit, gilt es den Blick vom eigenen Betroffensein hin zur Gemeinschaft, den anderen, zur Natur und Tierwelt zu richten.

Mit kleinen Änderungen der Lebensweise und der Behandlung anderer kann jeder tagtäglich dazu beitragen, die Welt zu verbessern. Dies ist eine Alternative zu den zerstörerischen Wirtschafts- und Konsumpraktiken.. Die Kritik am CO2-Fußabdruck, der manchen als Inbegriff der Verirrungen der “Klima-Hysterie” erscheinen mag, steht mit der Tora durchaus in Einklang, besonders zu Rosch haSchana.

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Hanna Rheinz

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veröffentlicht in: “Jüdische Allgemeine ” Titelseite, Rosch Haschana und Jom Kippur Ausgabe vom 26. September 2019 (Berlin)