Der Sprung von der Kabbala zur Frankfurter Schule der Philosophie scheint gewagt, doch gerade Theodor W. Adorno und Max Horkheimer haben sich der Tiere und ihrer in Vergessenheit geratenden Rechte angenommen.

“Die größeren Gaben des  Menschen, vor allem die Vernunft, heben die Gemeinschaft, die er mit den Tieren fühlt, durchaus nicht auf.” meint Horkheimer, “Die Züge des Menschen haben zwar eine besondere Prägung, aber die Verwandtschaft seines Glücks und Elends mit dem Leben der Tiere ist offenbar.”  (Max Horkheimer “Materialismus und Moral” In: Gesammelte Werke” herausgegeben von Alfred Schmidt, Gunzelin Schmid Noerr, Bd 3, S. 136 Frankfurt 1988)

Bereits meine Schulzeit  wurde beflügelt von Adorno und einem  Meerschweinchen, erstgenannter diente mir als Nahrung für den Geist, letzteres als Nahrung für die Seele. Das Meerschweinchen hieß Baltazar. Im Zwielicht dämmerte mir, daß es zwischen diesen beiden eine insgeheime Seelenverwandtschaft geben mußte, die sich nicht nur am Zusammenfallen von Weisheit, Alter und grenzenloser Offenheit, ja “Naivität”  für die Welt offenbarte, wie sie nur ganz kleinen Kindern, Tieren und ganz großen Persönlichkeiten eigen ist. Ich wuchs in einem tierfreundlichen Klima auf, und schaffte es bereits in den 60ziger Jahren mir die Gunst eines Pferdes zu erobern. Allerdings verlor ich sie bald wieder, weil “Olaf”, das Pferd,  mitsamt der Hoffnungen, die es in mir weckte, dummerweise unter das Beil des Schlachters geriet. Vielleicht wurde er vorher erschossen, kein Trost, das Muster  familientypischer  Unglücksfälle blieb gewahrt.  Nicht zuletzt, um diese Muster zu entwirren, rang ich mich dazu durch,  nach meinem Buch “Eine tierische Liebe – Zur Psychologie der Beziehung zwischen Mensch und Tier” (1994) weiter über die Beziehung von Mensch und Tier nachzudenken. Tierrechte und Tierethik, ein weites Feld. Mit vielen Überraschungen: Der hochgelobte Albert Schweitzer erwies sich als große Enttäuschung, da  er zwar für die Ehrfurcht vor Motten und Würmern plädiert, im gleichen Atemzug jedoch, – allen Erkenntnissen über “Ich bin Leben, das leben will, inmitten von Leben, das Leben will” zum Trotz -, vor “ungesundem Mitleidsgefühl” warnt und  Anweisungen erteilt, wie Kätzchen mit dem Hammer zu erschlagen seien.

Die große Entdeckung war, selbst in einer uralten Kette von Tierfreunden und tierfreundlichen Traditionen zu stehen: Der jüdische Tierschutz und einige wenige Rabbiner und Talmudgelehrte entschädigten  den Verlust von Albert Schweitzer.

Adorno hat mein Meerschweinchen nie  kennengelernt, erkundigte sich jedoch des öfteren nach seinem Befinden. Als Vertreter der Frankfurter Schule war er in der Lage, seine Anteilnahme  nicht sogleich durch einen  Witz zu entwerten, wie es damals üblich war. Auch das hat sich in unserer Beziehung zu Tieren geändert: bis auf einige Ballermannhaltungen  zum Leidwesen von Tieren ist aus dem einst belächelten Mensch-Tier-Verhältnis  eine ernst genommene, leider viel zu oft todernste Angelegenheit geworden.  Noch in den Neunziger Jahren waren Witze an der Tagesordnung, wenn man sich als Forscher  zu erkennen gab, der Tiere untersuchte, ohne mit ihnen die üblichen Experimente zu machen, bei  denen sie am Ende aufgeschnitten und asserviert wurden. Leute, die damals noch herumkrähten, das alles sei Humbug, halten heute ihren Schnabel  und besuchen klammheimlich den Tierpsychologen,  wenn Rex nicht so spurt wie erwartet. Eines haben auch die Wissenschaftler  begriffen. Darwin hatte Recht: Zwischen Mensch und Tier ist nur wenig Unterschied. Wenn Rex aushäusig ist, leiden selbst die größten Skeptiker unter ihnen wie ein Hund und machen die unvernünftigsten Dinge, um Rex, Fifi oder Mimi wiederzufinden. Nur Tiermenschen kennen das Ausmaß der “Unvernunft” vulgo Passion, die Menschen dazu bringt, jahrein jahraus bei seinen Tieren auszuharren, selbst wenn dies hauptsächlich darin besteht, deren Mist wegzuscharren – und sich eher selten danach in die Sonne zu legen, alle Viere ausstreckend – auch das verbindet Mensch und Tier.