Wer hätte gedacht, daß Poeten eines Tages offiziell unter die Räder geschmissen werden dürfen, weil sie ihr Zugriffszahlen-Soll nicht erfüllen und Bildende Künstler an einer national bekennenden Domain gemessen werden?

Das Merkmal des Freien Schaffens ist, daß der Betreffende in der Regel nicht an Medien-Anstalten mit deren Vertragsanwälten für Medienrecht angeschlossen ist, sondern solo vor sich hinarbeitet. Auskünfte, Fragen, von unverfänglichen Gesprächen ganz zu schweigen, werden dem – nicht in Diensten von diesem oder jenem stehenden – freien Freien schlichtweg verweigert. Sogar im nicht informellen Bereich, – früher war das der Anruf bei einem vermeintlichen Freund oder Bekannten, heute ist es die Email-, werden als zudringlich quittiert und mit barschem Verweis natürlich nicht beantwortet.

Auf diese Weise erhältst du nicht immer die Informationen, die du brauchst, um dies oder jenes wahrnehmen zu können. Die Antwort erhält man halt immer nur, wenn man erst mal die Frage ahnt und weiß, wer sie beantworten könnte (dies ist, nebenbei bemerkt auch der Grund, warum die gesellschaftlich und kulturell wichtigen Einflußnehmer für Hinz&Kunz, vulgo alle Nicht-Vernetzten – wie unsereins für immer&ewig verschlossen sind. Und dies ist in diesen Fällen gerade nicht elektronisch zu verstehen!

Bildende Künstler und freie freie Autoren stehen heute unter vielen Zwängen und Bedrohungen.

Auf vielen Ebenen sehr effektiv, sehr destruktiv wirksam ist der Zwang zur Masse.

Instagram, Pinterest, und wie all die Kunst-Kollektive und Kunst- Abwürger heißen, führen nur über profane Wege zur Anerkennung.

Es ist die schiere Zahl der LIKES, oft von Algorithmen, Bots oder globalen Zwangsarbeitern, die als Abstimmungsaffen bezahlt werden, manipuliert. Doch nur die Likes und die Zugriffe (und die Abgriffe) entscheiden, ob jemand wer ist oder nix ist. Wer frei schafft, tut sich schwer damit, wohlwollende reale Menschen zu finden. Niemand stellt sich neben das Mauerblümchen, alle rennen zum Likes-Haufen. Man vergleiche die destruktiven Folgen der Likes, mit nicht virtuellen Kommunikationen: Wohlwollen, Freundlichkeit. Anerkennung. Wer entlang der LIKES-Sammel-Schiene arbeitet, ist wie ein gut dressierter Affe. Der reißt sein Maul nur auf, wenn das Zuckerstück einfliegt. Sowas nennt man Arbeits-Ökonomie. Alles andere, links oder rechts, bleibt liegen. Solche Affen lassen sich heute am erfolgreichsten unter Menschen heranzüchten.

Daß auf Likes schielende Menschen nicht automatisch die besseren Produkte liefern, sollten Berufs- und Interessenverbände eigentlich wissen. Sie wissen es jedoch nicht, oder nicht mehr.

Nur so kann ich mir erklären, warum Autoren heutzutage tantiemenmäßig nach dem Prinzip der Zugriffszahlen bewertet werden.

Wer weiß, wie Verlage bestimmte Autoren vermarkten und andere als kostensparende Programmfüller zugrunde gehen lassen, sollte wissen, daß Absatzzahlen manipuliert werden, d.h. sie müssen erst mal gemacht werden. Und das ist meist gerade nicht vom Autoren abhängig. Da muß das Narrativ passen und eine – einflußreiche – Interessengruppe die Finger mit im Spiel haben oder wenigstens erkennbar sein.

Das sind nun mal die Grundlagen der Vermarktung, die bis vor kurzem gerade nicht mit den Grundlagen der künstlerischen Qualität deckungsgleich waren.

Das Bedürfnis der Kulturbewerter und Verwerter sich an etwas festzuhalten, ist verständlich. Nur warum ist es heute ausschließlich eine manipulierbare Abgriffszahl oder die ebenso manipulierbare Likes-Anhäufung? Ist das eigene Urteil inzwischen abgeschafft worden? Oder zu schwierig, weil sich niemand mehr im leeren Raum wiederfinden will, am Ort der Zweifel, des Noch Nicht? Neben mangelhafter Bildung und Ausbildung hat das auch mit fehlendem Mut zu tun und dem Mangel an Selbst-Vertrauen, den eigenen Urteilen zu folgen.

Zugriffszahlen jedoch werden als Massenphänomene, als Reiz-Reaktionen konstruiert, nicht als Folgen der Rezeption; zum Verstehen und Schätzen von Texten und Bildern bedarf es gewisser mentaler und zeitabhängiger Prozesse, die abgewürgt werden, wenn Qualität nur auf der Grundlage der Likes beurteilt wird. Qualität entscheidet sich am Kriterium der Beständigkeit, die an Zeit gebunden ist. Wozu auch die Phasen der Verachtung, des Nicht-Verstehens, des Ausschlusses, der Ablehnung gehören. Likes sind dabei gerade nicht hilfreich, denn sie verhindern, daß sich die Zeitdimension überhaupt erst öffnet.

Umso unverständlicher sind die Versuche, sogar der Berufsvereinigungen zu denen ja auch die Verwertungsgesellschaften gehören, ihre Tantiemenausschüttungen nur noch von Zugriffszahlen abhängig zu machen. Gute Verlage waren daran erkennbar, daß sie auch Autoren verlegten, die kleine Auflagen erzielten und dafür andere Qualitäten hatten. Nicht nur Gedichte gehören in diese Kategorie, die sich heute am besten vermarkten lassen, wenn der Dichter ein gut gewachsener Jüngling ist. Oder eine nicht mehr ganz so junge Frau. Diese allerdings erst Jahrzehnte nach ihrem erfolgreichen Suizid.

Wer schafft, darf eines nicht: nach draußen schielen und warten bis es Zuckerstücke hagelt. Die werden dich, und das ist sicher, in der einen oder anderen Weise erschlagen.