von Hanna Rheinz
Schon mal was von Umerziehung gehört?
Mich verfolgt das Thema schon lange. Im Jahr 1968 flatterte es bereits auf die Schreibtische etlicher Zeitgenossen. Auch später erhielten Abonnenten festland-chinesischer Revolutionspostillen eine Schrift, die zeigt wie Kulturrevolutionen funktionieren. Irgendwann lag es auch auf meinem Schreibtisch. Druckfrisch aus Peking. Etliche Leute, auch im Westen machten es so wie in Festland-China und chinesischen Sprachenschulen in Japan. Sogar Mandarin-Studenten aus dem Westen lernten dort Chinesisch, indem sie die Worte des Vorsitzenden Mao auswendig deklamierten. Wo man hinblickte “Umerziehung”. Am wichtigsten die der Intellektuellen. Von denen erhoffte man, daß sie einst in ihren Heimatländern – und weltweit – die Kulturrevolution vorantreiben würden. In vielen Fällen scheint es funktioniert zu haben.
Um es klar zu stellen: Ich war nicht dabei. Da ich mit einem widerspenstigen Gemüt gesegnet bin, blieb ich meist stiller Beobachter und Sammler. Zum Beispiel dieser Schrift zur Umerziehung: ZUR ERNEUTEN ERZIEHUNG DER INTELLEKTUELLEN die auf Chinesisch auch in Tokyo zirkulierte, wo ich als Studentin u.a. Chinesisch (Mandarin) Kurse belegt hatte. Neulich fiel mir dieses Büchlein wieder in die Hände. In fataler Weise erinnert es daran, was heute in unserem Land und in anderen Ländern geschieht. Hierzulande wird die Umerziehung natürlich mit anderen Mitteln erledigt. Subtiler. Mit einer anderen Form der Gewalt. Der sozialen Isolierung. Den Mitteln Verarmen, wirtschaftlich Ruinieren. Schleichende Prozesse der Entmündigung, Drangsalierung. Der tagtäglichen Maßregelungen. Unverändert: Hier wie dort. Gewalt in ihren vielen, auch subtileren Manifestationen.
Zum Beispiel Schmähkritik und Beleidigungsklage mit allen rechtlichen und gesellschaftlichen Folgen. Das neueste Beispiel einer Umerziehung mittels eines Satzes in einer verunglückten Satire, der eine öffentliche und mediale Beleidigungs-Lawine auslöste: Die verunglückte und auch reichlich geschmacklose Ironie bei der Beschreibung einer Politikerin auf der Plattform TICHYS EINBLICK (TE), die vom Herausgeber Roland Tichy nicht rechtzeitig entfernt worden ist. Tichys Entschuldigung zählte nicht. Der Fehltritt löste die übliche Lawine kollektiver Empörung aus, die bewirkte, daß Tichy als Verantwortlicher diverse berufliche Einbußen hinnehmen mußte. Er wird es überleben. Andere in vergleichbaren Konstellationen und weniger gut vernetzt, nicht.
Selbst wenn nur Fakten angesprochen werden, etwa das jahrelang nicht gezahlte Honorar an freie Autoren, die eine Zuwanderer-Initiative honorarlos zu unterstützen gebeten wurden, um danach herauszufinden, daß Geld eigentlich überhaupt kein Problem gewesen war. Wehe, der/die Betreffende beklagte dies zum Beispiel auf einem nicht offenen, sogenannten “Freundeskreis” einer Social Media Plattform! Sogar in diesem Fall eines Honorarverzichts gelang es mit Hilfe einer versierten Anwaltskanzlei den Geschädigten nochmals zu schädigen: Die Faktenschilderung wurden von einer versierten Anwaltskanzlei als “Schmähkritik” interpretiert und der Betreffende mittels eines Gerichts zu einer hohen Geldbuße verurteilt! All dies geschah fernab der öffentlichen Bühnen, auf denen bei ähnlich gelagerten, aber systemrelevanteren vulgo prominenteren Fällen den Opfer wenigstens noch die Unterstützung durch Kollegen zuteil wird. Auf diese Weise werden seit Jahren einzelne freie Autoren und Autorinnen, die gerade nicht von potenten Arbeitgebern und Medienkonzernen oder einem interessegeleiteten “Freundeskreis” geschützt werden, angegriffen und mit Schmähkritik Anzeigen mundtot gemacht.
Ziel ist nicht nur die Demontage des jeweiligen freien Autors, der dem einen oder anderen mißliebig geworden ist, sondern auch, die teuer errungene demokratische Meinungsfreiheit zu vernichten! Gerade kritische, unabhängige Autoren sollen mittels Geldbußen und Unterlassungs “Vereinbarungen” existentiell ausgelöscht und wirtschaftlich vernichtet werden – einschließlich der Löschung aus den Archiven (!).
Mit der Methode Gulag wird versucht, die betreffenden nicht nur aus der Gesellschaft und dem Berufsleben zu verbannen, sondern auch aus dem Gedächtnis!
Daß dies wiederum nur mit einer größeren Portion schwarzen Humors, also einer deftigen Satire verarbeitet werden kann, steht auf einem anderen Blatt …
Neben der mangelhaften Kommunikation von Mensch zu Mensch (und nicht von Mensch zu akklamierender Meinungsmeute wie in den “sozialen Medien” ist am Ende auch der fehlende Humor vulgo Esprit zu beklagen.
Hanna Rheinz
Hier ein Link u.a. zur Frage: Was darf Satire?
Interview von Samira Langer mit Roland Tichy (TICHYS EINBLICK)