Der World Jewish Congress weiß die Antwort

Einige Überlegungen zur Entscheidung des World Jewish Congress (WJC) den Theodor Herzl Preis 2019 an Kanzlerin Angela Merkel zu verleihen

Deutsche Juden, erfuhr ich heute, seien laut Wallstreet Journal empört über die Verleihung des Theodor Herzl Preises an Kanzlerin Angela Merkel. Der Artikel bezog sich auf einen Bericht von Hernryk Broder im Blog achgut, der im wesentlichen darauf beruht, aller Welt kund zu tun, daß er zu einer Preisverleihung des World Jewish Congresses eingeladen worden ist.

Nicht beantwortet wurde die Frage, wer wann und wieso empört war.

Dies beantwortete auch die Jerusalem Post nicht, die einen Artikel gleichen Inhalts veröffentlichte und sich ebenfalls auf die “empörten deutschen Juden” berief.

Ein wenig näher an die Fakten hinter den Behauptungen glaubte ich zu kommen, als ich eine Online Petition an den World Jewish Congress fand. Deren Ziel ist, den World Jewish Congress zu bewegen, die beschämende Preisverleihung zu stoppen, oder vielmehr, die avisierte Preisträgerin, Kanzlerin Angela Merkel mit dem Argument, es habe zuviel Radau gegeben, von dieser Preisverleihung wieder weg zu komplimentieren. Die Petition steht auf der Petitionsplattform Avaaz und es haben seit einer Woche ca 45 Menschen, die offenbar nur Vornamen haben, unterzeichnet. Ziel ist das Erreichen der 100 Stimmen Marke.

So also sieht die Empörung “deutscher Juden” in der BRD unter der Herrschaft von Frau Merkel aus.

Merkels Vorgänger: Alte weisse Männer

Noch nicht mal Heinz Galinski hat das geschafft. Der Vorsitzende der Jüdischen Gemeinde Berlin setzte sich in der vorletzten Dekade des letzten Jahrhunderts bei Kanzler Helmut Kohl dafür ein, russische Juden als Kontingentflüchtlinge aufzunehmen, um das jüdische Leben in Deutschland “wiederzubeleben”. Nun könnte der World Jewish Congress, bei dem sicher auch einige Menschen angestellt sind, die sich in europäischer Geschichte auskennen, auch dies als Grenzöffnung anerkennen, die sich im weiteren Umfeld des Wirkungskreises der Angela Merkel ereignete. Immerhin war Angela Merkel damals Protegée des Kanzlers.

“Das Mädchen”, das sich unter Kohls väterlicher Führung in der Politik hocharbeiten durfte. Heute wäre so etwas vermutlich eher schief angesehen worden. Me-too und so weiter, macht solche väterlichen Anleitungen eher verdächtig und auf keinen Fall preiswürdig. Damit soll nicht gesagt werden, daß nicht auch damals Karrieren, sogar politische, sich mittels intimerer Begegnungen gestalten ließen. Doch konnten im letzten Jahrhundert solche Umstände als der Zone “Privat” zugehörig betrachtet und somit verschwiegen werden.

Die sogenannten “sozialen Medien” machen dies heute unmöglich. Das Zeitalter der globalen Hysterie ist auch das Zeitalter der gewieften Rechtsanwälte, die weltweit agieren und für ihre oft selbst erfundenen Klienten hohe Entschädigungszahlungen erwirken, die sogar die Pensionen höherer Staatsbeamter belasten würden.

So hat im nachhinein weder der Ruf Helmut Kohls noch der von Heinz Galinski gelitten. Wobei die beiden Herren sicher als Vorreiter der Grenzöffnungen betrachtet werden könnten. Und zwar in subtiler, in kultivierter Weise. Peu à peu. Einzeln mit Koffer und Katzenkorb, oder kleinere Gruppen. In Zügen, Bussen oder Fugzeugen, Schach spielende Menschen mit intelligenten Gesichtern, Geigenbehältnisse tragend, ruhig aussteigend. Treppen hinunter gehend, vorsichtig, um ja nicht vor laufender Kamera des Öffentlich-rechtlichen Deutschen Fensehens die Treppe herunter zu stolpern.

Von der Grenzöffnung für die Russen, hin zur Grenzöffnung der Muslime ist ein langer Weg. Nicht nur optisch. Dennoch liegt die Verbindung nahe, persönlich und was den Transfer von Ideen zur Belebung des bundesdeutschen Alltags in all seinen Nischen und Abgründen angeht. Ein Gedankengang, der nahezu genial anmutet, denn Merkel ist den Kohl`schen Weg weiter gegangen. SIe hat ihn vollendet. Noch nicht einmal die Örtlichkeiten haben sich verändert. Wer erinnert sich nicht an die Rolle von Ungarn bei der Flucht von DDR-Bürgern? Die Ungarn hatten die Grenzen damals jedenfalls offen gelassen. Vermutlich haben sie aus der Erfahrung was gelernt. Die ungarischen Grenzen sind heute jedenfalls besser gesichert.

Die Methode der Grenzöffnungen als Fortsetzung des realen Sozialismus ist jedenfalls genial, wobei bezweifelt werden muß, daß sich die beiden älteren Herren über den Plan in allen Einzelheiten und Fortführungen bewußt waren: Neben dem naheliegenden Ziel “Wiederbelebung” standen noch fernere auf der Agenda Merkel, der Dritten im Bunde `Kohl-Galinski öffnen Juden aus Russland die deutsche Grenze”. Unter diesem Aspekt und in Fortführung der bahnbrechenden Entscheidung des WJC wäre es kein Wunder, wenn Merkel längst auf der Liste der zur Wahl stehenden Preisträgerinnen für den Friedensnobelpreis steht.

Wer, wenn nicht Merkel hat sich um die Völkerverständigung verdient gemacht? In diesem Sinn führt Merkel die Tradition der Kommunistischen Internationale fort.

Juden und Muslime,

Juden, Muslime und Deutsche –

Hand in Hand.

Wenn sich ein paar Neo-Nazis dazu gesellen, auch gut.

Genau so sieht der konsequente Internationalismus aus. Die eine oder andere Brandbombe kann das positive Bild nicht nachhaltig trüben. Von Messern, Schlägen, wuchtigen Stößen Treppen und Bahnsteigen hinunter ganz zu schweigen.

Wer Großes vorhat, die Welt gestalten, europäische Geschichte machen will, darf sich von solchen Petitessen auf Hinterbänkler Niveau nicht aufhalten lassen.

Es dauerte immerhin mehrere Kanzlerschaften und etliche Synagogenbauten, darunter eine in München, bis die Weichen gestellt waren. An dieser Stelle meldete sich eine andere Frau zu Wort, um zu gestalten, was gestaltet werden mußte. “Wir sind Deutschland” – endlich so weit alle seine Minderheiten, seinen Reichtum an Menschen anzuerkennen. Wer könnte etwas dagegen haben? Im Gegenteil! Deutschland brauchte dringend ein besseres Image. Wer wollte starke Frauen daran hindern, ihre Überzeugungen konsequent durchzusetzen?

Als Kanzlerin Merkel am 6. September 2015 am Münchner Hauptbahnhof Flüchtlinge begrüßte, von denen viele so aussahen als seien sie gerade aus ihrer Wohnung in Obergiesing mit der Straßenbahn an den Hauptbahnhof gefahren, handelte sie vermutlich auch im Sinne von Dr. h.c. Charlotte Knobloch, Präsidentin der Jüdischen Kultusgemeinde München und Oberbayern, und ehemalige Vorsitzende des Zentralrats der Juden in Deutschland. Beide waren eng verbunden. Beide waren die ersten Frauen in ihren hohen Ämtern.

Ein Jahr später, als etliche der eben noch Freude-trunkenen Politiker und Politikerinnen zu ahnen begannen, daß sich Merkels Politik nicht nur als Langzeit-Sprengsatz für Deutschland, sondern für ganz Europa erweisen könnte, war eine Preisverleihung an die Kanzlerin willkommen. Umso mehr als es ein “jüdischer Preis” war, der den Mut und die Heldenhaftigkeit der Entscheidung Merkels betonen sollte. Charlotte Knobloch erwies ihrer Kanzlerin die Genugtuung, weltweit als mutiger Mensch aus der Mitte Europas (“Deutschland”) wahrgenommen zu werden.

Um es ein für allemal deutlich zu machen. Es war keine einsame Entscheidung. Keine empörten Juden. Jedenfalls keine, die man, wenn sie sich öffentlich äußerten, auch hätte hören wollen.

Die Verleihung der Ohel-Jakob Medaille an die Kanzlerin zu Ehren der bedingungslosen Grenzöffnung für Verfolgte aus dem islamischen Kulturkreis wurde von den versammelten Würdenträgern der Landshauptstadt München und ausgewählten Gemeindefunktionären mitgetragen und willkommen geheißen. Sogar ein Rabbi aus New York war angereist.

Linkhttp://animalyz.com/eine-juedische-medaille-fuer-kanzlerin-merkel/

Die Münchner Juden hatten somit ihre Wahl getroffen, – ob sie sich dessen bewußt waren, oder nicht -, spielt jetzt keine Rolle. Fest steht, daß sie sich nicht im Namen der deutschen Juden empört zu Wort meldeten. Sie fürchteten nicht, daß sich bei Aufnahme von Millionen junger Männer aus dem muslimischen Kulturkreis das wiederbelebte jüdische Leben in diesem Land verflüchtigen könnte. Eine solche Spekulation wird damals wie heute entschieden zurückgewiesen. Nein, der World Jewish Congress hat mit Merkel nicht daneben gegriffen. Die angebliche “Empörung unter deutschen Juden” ist nichts als ein Schachzug, um ein wenig internationale Aufmerksamkeit zu erhaschen.

Wir lieben unsere Kanzlerin, unsere Präsidentin, unseren Zentralratsvorsitzenden. Und wir sind gerne bereit, uns weiterhin einreden zu lassen, die AFD sei unser wahrer Feind und all die Neo-Nazis, die dort gerade eine Schulung mitmachen, um das Gelernte bei der nächsten judenfeindlichen Attacke einzusetzen.

Die Machtverhältnisse in diesem Land sind bekannt. Sie haben sich nicht nur gezeigt, sie sind auch entlarvt worden. Trotzdem lassen sich jene, die Entscheidungen treffen, nicht beirren. Und daran wird auch diese Preisverleihung, die für das Erbe des Theodor Herzl eigentlich ein Hohn ist, nichts ändern.

Wir sollten jetzt wirklich dankbar sein, daß der Theodor Herzl-Preis nicht an Kapitänin RAKETE verliehen wird (jedenfalls nicht in diesem Jahr), deren Beitrag zur Sicherheit Israels mir eher einleuchtet als der von Frau Merkel. Immerhin halfen Raketes humanitäre Menschentransporte kurzfristig, Konfliktherde im weiteren Umfeld Israels zu entschärfen, indem potentielle Bedrohungen von ihr in Regionen verschifft wurden, die vom Brandherd Nahost geographisch weiter entfernt sind. Deutschland kam da gerade gelegen.

Festzuhalten ist: sich auf imaginäre Juden in Deutschland mit dem Notruf “Empörung unter deutschen Juden” zu berufen kann als Fake News gelten. Die Juden in Deutschland stehen hinter ihrer Kanzlerin.

Sie sind eben NICHT empört. Und gerade das ist das Empörende.

Copyright: Hanna Rheinz