Pflegeberufe in Israel: Tatort moderner Sklaverei?

KOMMENTAR von Hanna Rheinz

Seit dreißig Jahren, so berichtet die Journalistin INNA LAZAREVA in TIMES OF ISRAEL (TOI) Ende Februar 2023 in einer Reportage über ausländische Pflegekräfte in Israel, herrschten Mißstände Im Bereich der Arbeitsvermittlung von Pflegekräften in Israel. Durch ein enges Netz von im Ausland und in Israel tätigen Arbeitsagenten – werden den angehenden Pflegekräften bereits in ihren Herkunftsländern, zum Beispiel den Philipinen -, hohe Vermittlungsgebühren abverlangt, von denen nicht nur die erfolgreiche Arbeitsplatzvermittlung, sondern auch die Aufenthalts- und Arbeitsgenehmigungen abhängen.

Die oft mehr als 40.000 Dollar hohen Gebühren, die sich erhöhen durch die Zinsen von Geldverleihern, würden bei den betroffenen Schuldnern und Schuldnerinnen, zu jahre-, sogar jahrzehntelanger Verschuldung führen. Da dies im Widerspruch zu Arbeitsgesetzen in Israel stünde, sei es unverständlich, daß es in über 30 Jahren zu keinem einzigen Gerichtsverfahren gekommen sei, obwohl die Betroffenen nicht nur von den Arbeitsplatzagenten, den Geldverleihern, sondern auch von ihren Arbeitgebern massiv erpreßt und genötigt werden würden.

Der Bericht von Inna Lazareva ist von der Überraschung getragen, daß es ausgerechnet in Israel zu solchen Mißständen kommt. In einem Land, dessen Staatsgründung durch kollektive Erfahrungen von Ungerechtigkeit und Verfolgungen gekennzeichnet sind, erscheint die offenkundige Ungerechtigkeit, die seine Staatsbürger anderen “Opfern” gegenüber an den Tag legen, umso gravierender und unverständlicher. Gerade jüdische Israelis, so könnte man meinen, sollten in diesem Punkt doch besonders sensibel, weil von eigenen historischen Erfahrungen geprägt, sein.

Gerade diese jedoch erweisen sich als Auslöser für eine besondere Anfälligkeit. Wer einst selbst Opfer war oder sich als Opfer erfährt, mag dazu neigen diesen Status zu überwinden, indem der Betreffende – und sei es in symbolischer Weise – auf die “Täter”-Seite wechselt. Man erinnere sich: Verfolgung und Sklaverei zeichnen sich durch mangelnde Selbstbestimmung aus. Das damit einhergehende Gefühl des unentrinnbaren Schicksals, kann zu einem zentralen Identifikationsmerkmal werden. Der Verfolgte definiert sich, obwohl die reale Verfolgung in der Vergangenheit liegt, weiterhin über die Erfahrung des Verfolgt-Seins. Nicht nur die Gründung des Staates Israel als Zufluchtsort aller verfolgten Juden, sondern auch das Nationalbewußtsein der Israelis sind daher von der Abgrenzung von diesen Negativerfahrungen der Juden in der Galut geprägt. Doch durch die Staatsgründung gelang es, den Opferstatus aus dem Negativen in etwas Positives gewendet zu haben: An die Stelle des ehemaligen Opfers ist der Staatsbürger getreten.

So ungerecht und verwerflich die Schuldenlast vieler in Israel arbeitendender ausländischer Arbeitskräfte in Pflegeberufen ist, tritt zu dieser Ungerechtigkeit ein überraschendes Phänomen: Die Verwunderung darüber, daß so viele Arbeitskräfte (obwohl sie keine Staatsbürger sind) diese Schuldenlast auf sich nehmen, um in Israel arbeiten zu dürfen.

Hier der Link zur Reportage “Modern Slavery”, die Anlaß für meinen aktuellen Kommentar war:

https://www.timesofisrael.com/modern-slavery-how-foreign-caregivers-in-israel-have-been-extorted-for-decades/?utm_source=The+Daily+Edition&utm_campaign=daily-edition-2023-02-22&utm_medium=email

QUO VADIS, ISRAEL ?

WOHIN DES WEGES, ISRAEL ?

9. Februar 2023

Die Zeit der Frühblüher hat angefangen, da gibt es viele Gründe, daß einem die Tränen in die Augen schießen.

Eine Nachricht aus Israel, die mir heute auf den Schreibtisch flatterte … hat meine allergischen Prozesse nicht gerade gemildert … Noch ist es ein Gesetzes-Entwurf, doch wenn die Netanjahu-Regierung diesen durchwinkt, wird es in Israel demnächst teuer, sich in gemischten Formationen an die Klagemauer zu stellen und zu beten.

Eine Kriminalisierung von Betern?

Haftstrafen von 6 Monaten und Geldstrafen in Höhe von 10.000 NIS, das sind ungefähr 2.693,00 Euro -, wenn Familien sich gemeinsam zum Gebet an den bisher legalen Bereichen für gemischte Gebetsgruppen treffen?

Das würde nicht nur die Lebensqualität in Israel in den Keller stürzen lassen, sondern vor allem die Demokratie und das Recht der Menschen sich gemeinsam und unabhängig von Geschlecht, ethnischer Zugehörigkeit, Herkunft und wirtschaftlichem Status an den bisher für gemeinsames Beten legalen Orten zu treffen.

Premier Benjamin Netanjahu warf dem Gesetzesentwurf zwar einige beschwichtigende Worte hinterher, doch das erweist sich als kosmetische Operation, nicht zuletzt angesichts der zunehmenden Kritik am neuen Kurs Israels, die nicht nur von Juden weltweit geäußert wird, sondern auch von Finanziers, die ihre Einlagen aus Israel abziehen angesichts dieser instabilen und demokratie-zerstörenden Entwicklung.

Man erinnere sich daran, daß der Abbau von Freiheiten immer mit Zuckerstücken serviert wird, seien es rhetorische Strategien wie Banalisierung (“wird schon nicht so schlimm werden…” ) oder Geschenke für einflußreiche Meinungsmacher und Strippenzieher hinter den Kulissen.

Wenn es nach den Verfassern dieser Gesetzes-Initiative geht, werden nicht nur Lokalitäten abgesperrt, an denen früher Familien gemeinsam beten konnten, sondern Frauen wird auch an den Orten, an denen dies bisher erlaubt war, wieder verboten eine Torah-Rolle zu berühren, einen Gebetsschal zu tragen oder den Schofar-Ruf zu Rosch Haschana ertönen zu lassen.

Es wird Zeit aufzuwachen! In Deutschland sowieso.

Hier besteht die Neigung, sogar in der Jüdischen Presse-, kritische Stimmen reflexhaft dem Lager antisemitischer Propaganda zuzurechnen.

Statt sich kritisch mit dieser demokratie-feindlichen Entwicklung in Israel auseinander zu setzen, werden den Lesern – im so-und-sovielsten Artikel – die Varianten rechter Unterwanderung der Bundesrepublik durch die AFD unter die Nase gerieben.

Das Ende vom Lied:

Kritiker aus der Diaspora?

Das können doch nur verkappte Antisemiten sein …